Nun komm’ schon!

31. März 2014
I
Sexologin Ann-Marlene Henning

Spielt der Orgasmus für Männer und Frauen die gleiche Rolle? Eher nicht. Männer kommen einfacher, jede dritte Frau gar nicht. Woher kommt dieser Unterschied? Zunächst beschäftigen sich Männer viel früher und intensiver mit ihrem Geschlecht, alleine schon, weil es sich außerhalb des Körpers befindet. Das gute Stück wird täglich angefasst und begutachtet. Dazu bekommen Männer Schützenhilfe durch das Erregungs-Booster-Hormon Testosteron. Der Orgasmus bekommt so einen ganz anderen Stellenwert: Wenn es so einfach geht, warum dann darauf verzichten?

 

Viele Frauen dagegen müssen für ihren Orgasmus richtig arbeiten. Sie lernen nämlich nicht von Anfang an, eine Verbindung zu ihrem Geschlecht aufzubauen. „Finger weg!“ lautete die Devise.

 

Diese Kluft zwischen den Geschlechtern wird am deutlichsten, wenn die Jagd auf den Orgasmus beginnt: Von sich auf die Frau schließend, denkt der vögelnde Mann, dass es ihr bestimmt auch um den Höhepunkt geht. Gekommen oder nicht? Danach wird der Sex bewertet. Die Frau merkt indessen, dass er „es ihr unbedingt besorgen möchte“, weil sonst der Akt keine Bestnote mehr bekommen kann. Findet den Fehler!

 

Auch bei der Verführung treffen Welten aufeinander: Frauen träumen eher vom langsamen Herantasten, zärtlichen Eroberungsspielen. Viele Männer denken, dass weibliche Lust direkt über Brüste und Klitoris entfacht wird. Sie verführen, wie sie selbst gern verführt werden würden (Mädels, es ist wirklich so) und bewirken das genaue Gegenteil.

 

Die Verkettung ungünstiger Annahmen spiegelt sich auch in unserem Sprachgebrauch wider: Vorspiel und Nachspiel klingen nach unwichtigem Drumherum, während scheinbar Wichtigeres, der Geschlechtsverkehr und der Höhepunkt, dazwischen stattfindet. Dabei kann das „Davor” gerade richtig interessant werden, wenn die Frau wirklich kommen möchte, denn allein durch die Performance des Penis’ passiert dies nur bei ungefähr jeder Zehnten. Wer also dem Orgasmus seiner Frau auf die Sprünge helfen möchte, macht das am besten mit der Zunge oder den Fingern im Bereich der Klitorisperle vor dem „Dazwischen”. Und Männer, genießt doch einfach den Versuch, sie wird sich erst entspannen, wenn sie merkt, dass der Weg Euer Hauptziel ist und nicht ihr Orgasmus. Sie will ihn nicht immer und findet, dass guter Sex auch ohne Orgasmus stattfinden kann (Jungs, es ist wirklich so). Die Jagdsaison ist beendet.